Kulturflucht im Kaffeehaus – eine „Lorioteske“

Ob Schauspieler, Musiker oder Schriftsteller – als live auftretender Künstler hat man es manchmal nicht leicht. So auch die Mitglieder des Fördervereins der Schriftsteller e. V., die am Sonntag zur Bienen-Bauhaus-Präsentation im Kaffeehaus Köhler ihre literarischen Beiträge präsentierten. Lebte Loriot noch, der Meister des Alltagshumors, er hätte sicher seine Freude an dem gehabt, was sich den Anwesenden dort bot. Bei künstlerischen Auftritten, in diesem Fall eine Lesung, kommt es hin und wieder vor, dass sich die Erwartungshaltung der oder des Vortragenden, was die Besucherzahl der Veranstaltung betrifft, mehr oder minder von dem unterscheidet, was später tatsächlich eintritt. Mal denkt man, es kommt niemand und plötzlich ist der Saal bis auf den letzten Stuhl besetzt, mal ist es genau anders herum, und manchmal passiert das Folgende:

Beim Eintreffen der Protagonisten war das Kaffeehaus, dessen Möblierung Platz für ungefähr achtzig Gäste bietet, nahezu vollbesetzt. Welch eine Freude, gingen wir doch davon aus, dass alle gekommen waren, um bei Kaffee und Kuchen der Kunst und der Kultur zu frönen. Die bunten Bienen-Bauhäuser wurden aufgestellt, die Mikrofonanlage angeschlossen und diverse werbewirksame Druckereiprodukte, die auf unsere form&SPRACHE-Veranstaltungsreihe hinweisen, auf den Tischen verteilt. Für die in Kürze folgenden 30 Leseminuten würden die Besucher bei freiem Eintritt nicht nur den Auszügen der Literaten zu den Bauhaus-Jubiläums-Themen Magdeburger Moderne, Taut und Stadt des neuen Bauwillens lauschen, sondern auch je eine von der WOBAU Magdeburg spendierte Tasse Kaffeebohnenextrakt genießen können.

Fünf Minuten vor Lesebeginn änderte sich jedoch plötzlich die Szenerie. Die Tortenstücke waren gegessen, der Känncheninhalt getrunken und somit stand nach und nach beinahe die gesamte Zuhörerschaft auf, beglich die Rechnungen und verließ das Etablissement. Leere Teller, leere Tassen, leere Stühle – nur vierzehn Ohren- und Augenpaare blieben vom sichergeglaubten Großpublikum übrig. Ich denke, der Begriff „Motivationsspritze“ kann vielfältig interpretiert werden, doch so wohl eher nicht. Dennoch blieben alle Vortragenden frohen Mutes und „lieferten ab“, wie man in Künstlerkreisen sagt.

Und … man sollte ja stets das Positive sehen: Die Stifter des kostenlosen Kaffees kamen sehr günstig dabei weg und es gab keinerlei Gedränge am Kuchenbuffet.
Zwei reifere Damen, die kurz nach Ende der Lesung durch die Schaufenster blickten, setzten der Sonntagstorte das Sahnehäubchen auf mit den jetzt schon legendären Worten:

»Jetzt können wir rein, de Quatschköppe sind raus!«

Die Bienen-Bauhaus-Präsentationen sind Teil des Projekts Magdeburger Moderne – Reflexion/Projektion/Vision 1919/2019/2119 des Fördervereins der Schriftsteller e. V. und dessen Veranstaltungsreihe form & SPRACHE. „De Quatschköppe“ danken allen Förderern und Sponsoren, dem Publikum und dem Team vom Kaffeehaus Köhler.
Die nächste Bienen-Bauhaus-Präsentation mit literarischen Beiträgen gibt es am 27. März um 16:30 Uhr in der Hermann-Beims-Siedlung.

Foto 17.03.2019 („De Quatschköppe“ von links nach rechts): Regine Sondermann, Ursula Djaschi, Beate Schoppmann, Herbert Beesten, Mieste Hotopp-Riecke, Ammar Awaniy und Franka Schumacher; Bild- und Textautor: Wolf Stein